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Stellungnahme des bdfm zum Grünbuch des Deutschen Musikrates

Diese Stellungnahme erschien am 12. September 2014 auf unserer Website

Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Privatmusikschulen

Der bdpm e.V. begrüßt die Initiative des Dt. Musikrates ausdrücklich, die Grundsätze öffentlicher Musikförderung, ihre Notwendigkeit und kulturbildende Verantwortung sowie auch ihre grundlegenden strukturellen Schwächen zu thematisieren. Dazu ist aus Sicht der freien und privaten Musikschulen folgende Stellungnahme abzugeben: Die kommunalen Musikschullandschaften bestehen in heutiger Zeit aus einem Mix von unterschiedlichsten Schulformen und -trägerschaften. Neben den bis in die frühen neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts fast alternativlosen kommunal geführten Musikschulen entstanden in den letzten zwei Jahrzehnten flächendeckend freie und/oder private Musikschulen. Diese werden in verschiedensten Rechtsformen geführt, vom Personenunternehmen über die gemeinnützige GmbH bis hin zum eingetragenen, gemeinnützigen Verein.

Stichprobenartige Erhebungen in verschiedenen Kommunen lassen darauf schließen, dass an freien Musikschulen mittlerweile etwa die Hälfte aller deutschen Instrumental- und Gesangsschülerinnen und –schüler ihre musikalische Ausbildung erhalten. Die öffentliche Musikschulförderung lässt auf diese – im Vergleich zu den siebziger und achtziger Jahren grundlegend veränderte – Situation bisher eine Antwort vermissen. Sie agiert zumeist noch immer so, als seien es allein kommunale Musikschulen, die das musikalische Bildungsangebot im Land tragen. Öffentliche Musikschulförderung auf kommunaler oder Landesebene kommt, bis auf wenige Ausnahmen, bisher nur diesen Schulen, deren Schülerinnen und Schüler sowie mittelbar oder direkt deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu. Dies führt auf verschiedenen Ebenen zu Problemen, deren Lösung dringlich ist und die vom Deutschen Musikrat als oberstem Musikverband betrieben werden muss.

1. Musikschülerinnen und Musikschüler aus sozial benachteiligten Familien

Minderjährige, die aus sozial benachteiligten Familien stammen, haben oftmals Probleme, die Unterrichtsgebühren bzw. –honorare von Musikschulen aufzubringen. Um dem zu begegnen, ist es in der Regel möglich, diesen Unterricht zum Teil mit dem Zuschuss aus dem sog. Bildungs- und Teilhabepaket zu finanzieren. Dieser ist jedoch auf monatlich maximal zehn Euro beschränkt, was regelmäßig für außerschulischen Musikunterricht nicht ausreicht.
Des weiteren gewähren diejenigen Landkreise und kreisfreien Städte, die eigene Musikschulen unterhalten oder einzelne Musikschulen fördern, durch besondere Bestimmungen in ihren bzw. deren Gebühren- und Unterrichtshonorarordnungen Schülerinnen und Schülern aus sozial benachteiligten Familien eine deutlich weitergehende Förderung. Diese kann bis zur 100%igen Übernahme der Unterrichtskosten betragen. Die Kommunen gewähren diese Sozialermäßigungen ausschließlich denjenigen Schülerinnen und Schülern, die deren eigene bzw. die geförderte Musikschule besuchen. Bedürftige Musikschüler/innen, die andere Musikschulen besuchen – zum Beispiel die im bdpm e.V. organisierten – werden systematisch von einer über die Bildungs- und Teilhabegutscheine hinausgehenden öffentlichen Förderung ausgenommen. Auf diese Art und Weise werden minderjährige Musikschülerinnen und Musikschüler in Kinder erster und zweiter Klasse eingeteilt. Bei denen „erster Klasse“, die staatlich geförderte Musikschulen besuchen, engagiert sich die Kommune bzw. das Bundesland in hohem Maße für deren musikalische Förderung. Bei denen „zweiter Klasse“ verweigern Kommunen und Länder mit Ausnahme der geringfügigen Unterstützung durch die Bildungs- und Teilhabegutscheine in aller Regel jedwede Unterstützung.
Somit wird hier gegen den Grundsatz gleicher Bildungschancen für alle verstoßen. In unseren Augen handelt es sich hier um einen im System angelegten Missstand, der zu massiver Ungerechtigkeit, zur systematischen Benachteiligung von etlichen bedürftigen Musikschülerinnen und Musikschülern führt. Daher fordern wir den Deutschen Musikrat auf, sich intensiv für diese Forderungen einzusetzen:

Öffentliche Sicherung der Chancengleichheit aller Musikschülerinnen und Musikschüler.
Das bedeutet, dass Kommunen und Länder für alle sozial bedürftigen Musikschülerinnen und -schüler im gleichen Umfang Unterrichtshonorare übernehmen müssen, wenn diese dazu nicht allein in der Lage sind. Dabei darf nicht länger unterschieden werden zwischen den Schülern von kommunal geförderten oder getragenen Musikschulen und zertifizierten Musikschulen in freier oder privater Trägerschaft. Die Sicherung gleicher Bildungschancen für alle ist zwingend eine öffentliche Aufgabe.

Ausweitung des Systems der „Bildungs- und Teilhabegutscheine“
Ein probates Mittel, um obige Ziele zu erreichen, ist die vollständige Umschichtung der kommunalen Musikschulförderung für Bedürftige auf ein System analog zu den bisherigen „Bildungs- und Teilhabegutscheinen“. Eine solche kommunale Sozialförderung muss grundsätzlich bei allen zertifizierten Musikschulen einlösbar sein.

2. Musikschulfinanzierung

Durch öffentliche Gelder geförderte Musikschulen finanzieren sich im Mittel nur zu etwa 40-60 Prozent aus den Unterrichtsgebühren bzw. –honoraren der Eltern bzw. Schüler. Der zur Deckung aller Kosten benötigte Rest wird durch die öffentliche Hand gewährleistet. Dadurch, dass die Förderpolitik der Kommunen und der Länder einseitig auf Musikschulen eigener Trägerschaft – oder auf einzelne, ausgewählte Musikschulen in freier Trägerschaft – ausgerichtet ist, entstehen extrem unterschiedliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Seite des Unterrichtsbetriebes.
So muss bei einer kommunal betriebenen oder geförderten Musikschule im Mittel 40-60 % der Kosten über die Unterrichtsbeiträge der Eltern- bzw. Schülerschaft erbracht werden. Bei ungeförderten Musikschulen stellt das elterliche bzw. Schüler- Honorar die einzige Einnahmequelle dar.
Den nicht kommunal unterstützten Bildungsanbietern ist es angesichts dieser Zwangslage in aller Regel nicht möglich, Preise, wie sie notwendig wären, für ihre Unterrichtsangebote erzielen zu können. Das hat Auswirkungen auf die Situation der Lehrkräfte: diese sind zumeist Honorarkräfte und müssen sich regelmäßig mit Honoraren zufrieden geben, die ihrer Ausbildung nicht angemessen sind.
So bedingt die nur punktuelle und einseitige öffentliche Musikschulförderung die Entstehung von prekären Beschäftigungsverhältnissen.
Aus unserer Sicht muss die öffentliche Musikschulförderung daher grundsätzlich neu aufgestellt werden: weg von der einseitigen, jedoch massiven Besserstellung einiger ausgewählter Institutionen hin zu einer flächendeckenden und gleichmäßigen Förderung von qualifiziertem Musikunterricht.

3. Ganztagsschule

Wie im Grünbuch des Deutschen Musikrats zu Recht festgestellt, wird die Vernetzung von Musikschulen mit allgemein bildenden Schulen nicht in ausreichendem Maß gefördert. Dies ist insbesondere in Bundesländern der Fall, die einen hohen Ganztagsschulanteil haben bzw. anstreben und dieses mit einer restriktiven Zugangspolitik zum Nachmittagsangebot ihrer Schulen verbinden. Deutschland hat ein Selbstverständnis und einen Ruf als Kulturnation, als ein Land gerade der Musik. Die musikalische Jugendkultur und -bildung in unserem Land ist stark geprägt von außerschulischen Angeboten, von Musikschulen, von Chören, Bands, von Musikvereinen und vielem mehr. Diese in Jahrzehnten und teilweise Jahrhunderten gewachsenen musikalischen und kulturellen Infrastrukturen sind beim derzeitigen Durchsetzen von Ganztagsschulsystemen in ihrer weiteren Existenz bedroht; ihr Verlust wäre unverzeihlich. Es muss aus Sicht der Musikschulen in dieser Zeit des Umbaus unseres Bildungssystems alles unternommen werden, um eine maximale Durchlässigkeit zwischen allgemeinbildenden Schulen und den traditionsreichen und kulturbildenden außerschulischen Strukturen zu ermöglichen. Dazu gehören in allererster Linie die Musikschulen.

Der Deutsche Musikrat muss sich daher dafür einsetzen, dass die individuelle musikalische Förderung von Kindern und Jugendlichen durch Instrumental- und Gesangsunterricht auch dort ermöglicht wird, wo Ganztagsschulangebote gemacht werden. Dabei muss gewährleistet sein, dass nicht unterschieden wird zwischen zertifizierten Musikschulen in kommunaler oder in freier Trägerschaft*.

Der Bundesverband Deutscher Privatmusikschulen bietet bei all diesen Unterfangen selbstverständlich seine konstruktive Mitarbeit und Unterstützung an.

Für den Vorstand
Max Op den Camp, Mitglied des Bundesvorstands des bdpm e.V.

*In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich auf das Konzept „Pakt am Nachmittag“ im Bundesland Hessen hingewiesen.

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