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Keine neuen Steuern für musikalische Bildung – Umsatzsteuerreform gefährdet Umsatzsteuerfreiheit des Musikunterrichtes

Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Musikrates, des Verbandes deutscher Musikschulen, des Bundesverbandes der Freien Musikschulen und des Deutschen Tonkünstlerverbandes

(Berlin, 23.09.19 ) Der von der Bundesregierung vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ sieht eine Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen vor. Die Änderung der bisherigen Befreiungsregelungen lässt befürchten, dass auch musikalische Bildungsangebote künftig von zusätzlichen Steuerbelastungen betroffen sein könnten.

Das Bundesfinanzministerium betont in seinen bisherigen Aussagen, dass der Musikunterricht nicht von der Novellierung des Gesetzes betroffen sei, denn unter der Voraussetzung, dass hiermit auf einen Beruf vorbereitet werde, bliebe er wie in der Vergangenheit steuerfrei. Aus dem Gesetzentwurf selbst und dessen Begründung geht dies jedoch nicht eindeutig und zweifelsfrei hervor.

Der Deutsche Musikrat fordert gemeinsam mit dem Verband deutscher Musikschulen, dem Bundesverband der Freien Musikschulen und dem Deutschen Tonkünstlerverband von der Bundesregierung und dem Gesetzgeber, steuerliche Vorgaben der EU (vgl. Art. 312 i), j) Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) auf nationaler Ebene so umzusetzen, dass gesamtgesellschaftliche Zielsetzungen wie „Bildung für alle“ und „kulturelle Teilhabe“ dabei keinen Schaden nehmen oder gar auf der Strecke bleiben.

Hierzu Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Die Angebote zur Musikalischen Bildung dürfen nicht durch die Reform zur Umsatzsteuer zusätzlich belastet werden. Die öffentlich verantwortete musikalische Bildung wie die der privaten Anbieter müssen auf breiter Ebene steuerlich begünstigt bleiben, um kulturelle Teilhabe für alle gesellschaftlichen Gruppen zu ermöglichen. Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, den Gesetzestext entsprechend zu präzisieren.“

Hintergrund

Der vom Bundeskabinett am 31. Juli 2019 beschlossene „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ sieht eine Zusammenfassung der zentralen Umsatzsteuer-Befreiungsvorschriften für Bildungsleistungen in einer veränderten Norm (§ 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz (UStG)) vor. Die Bundesregierung beruft sich dabei auf EU-rechtliche Vorgaben und die Entwicklung der Rechtsprechung von EUGH und BFH, die eine Anpassung der Regelungen im Deutschen Umsatzsteuergesetz erfordern würden.

Eine Gesetzesänderung mit einer Verengung der bisherigen Befreiungsregelungen lässt zusätzliche Steuerbelastungen bei der Nutzung von musikalischen Bildungsangeboten befürchten, die von zahlreichen Kindern und Jugendlichen an Musikschulen wahrgenommen werden, nicht zuletzt auch aus einkommensschwachen und bildungsbenachteiligten Familien. Neue steuerliche Belastungen für Bildungsleistungen stehen im Widerspruch zu offenen, allen Bevölkerungsgruppen zugänglichen Bildungsangeboten, die sowohl gesellschaftliches Ziel als auch Ziel der Regierungspolitik sind. Überdies stünde es auch im Gegensatz zum politischen Ziel der EU selbst, den Zugang zu nationalen Bildungssystemen möglichst offen zu halten und nicht durch steuerliche Beschränkungen zu erschweren.

Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass man bei der Frage, ob Leistungen steuerfrei oder steuerpflichtig seien, zu vernünftigen Lösungen nur komme, wenn man die Endverbraucher einbeziehe (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom 10. November 1999, 2 BvR 2861/93, Rn. (1-19)). Systemgerecht sind danach nur solche Befreiungen, die dem Endverbraucher dienen. Dies ist der Fall, wenn die Unterrichtsgebühr für Bildungsleistungen nicht mit Umsatzsteuer belastet ist, insbesondere bei privaten Leistungsempfängern, die kein Recht zum Vorsteuerabzug haben.

Der Musikunterricht, der von öffentlichen wie privaten Musikschulen sowie privaten Musiklehrerinnen und Musiklehrern angeboten wird, droht sich durch die von der Bundesregierung geplante Änderung des Umsatzsteuergesetzes drastisch zu verteuern. Kommunale Einrichtungen, die Musikunterricht als Gegenstand der Daseinsvorsorge begreifen und bisher nicht als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes angesehen werden, können spätestens ab 01. Januar 2021 von der geplanten Änderung betroffen sein. Die daraus folgende Kostensteigerung müsste letztendlich von den Schülerinnen und Schülern bzw. ihren Erziehungsberechtigten getragen werden. Die Beschlussvorlage für das Jahressteuergesetz 2019 könnte im Ergebnis zur Erhebung von 19% Umsatzsteuer auf die Leistungsangebote betroffener Musikschulen sowie der privat unterrichtenden Musikpädagoginnen und Musikpädagogen ab 01. Januar 2020 führen. Für Kinder und Jugendliche, die an einer Musikschule, unabhängig von der Rechtsform des Anbieters, oder bei einer Privatmusiklehrerin bzw. einem Privatmusiklehrer ein Instrument oder Singen lernen möchten, würde sich ab 2020 die Chance dazu verringern, weil die absehbare Verteuerung um 19% von vielen Eltern nicht mehr geleistet werden kann.

Als Betreiber von Musikschulen oder auch als Privatmusiklehrerin und Privatmusiklehrer lassen sich in unserem Land keine Reichtümer verdienen. Viele arbeiten schon heute mit äußerst geringen Gewinnspannen am Existenzminimum. Wenn sich die Angebote der Musikschulen bzw. der Privatmusikpädagoginnen und Pädagogen nun aufgrund des Aufschlages der Umsatzsteuer um 19% verteuern, ist ein Absterben dieser Angebote absehbar. Die Errungenschaften der Teilhabegesetze, zuletzt wurden die Zuschüsse für soziale und kulturelle Aktivitäten von 10 Euro auf 15 Euro monatlich erhöht, werden durch einen Wegfall der Umsatzsteuerbefreiung neutralisiert. Im Ergebnis würde noch mehr Kindern und Jugendlichen der Zugang zu Instrumental- bzw. Vokalunterricht verwehrt.

Darüber hinaus würden immer mehr Musikpädagoginnen und Musikpädagogen in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt. Bereits jetzt ist eine steigende Zahl von Musikerinnen und Musikern darauf angewiesen, mehrere Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig einzugehen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Ein weiterer Kritikpunkt an dem vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung ist die geplante Änderung des Bescheinigungsverfahrens. Trägern von Musikschulen und privaten Musiklehrerinnen und Musiklehrern ist eine klare und eindeutige Regelung an die Hand zu geben, mit Hilfe derer sie umsatzsteuerpflichtige und umsatzsteuerbefreite Angebote bzw. Veranstaltungen rechtssicher abgrenzen können. Das bisherige Bescheinigungsverfahren ist von fachlicher Ebene wie den zuständigen Landesbehörden beizubehalten. Dies gewährleistet, dass die erforderliche fachliche und pädagogische Qualifikation der Lehrkräfte von einer sachkundigen Stelle geprüft und entschieden wird. Denn es ist kaum vorstellbar, dass Finanzbeamtinnen und Finanzbeamte seriös in die Lage versetzt werden können, für den Musikunterricht qualitative Standards zu prüfen und darüber zu entscheiden.

Die im Regierungsentwurf erwähnte Problematik der Rückwirkung der Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 a) bb) UstG) besteht nicht mehr, denn diese ist gesetzlich geklärt worden (vgl. § 171 Abs. 10 Abgabenordnung). Die Erhaltung des Bescheinigungsverfahrens würde die bisher nach § 4 Nr. 21 b) UstG vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung für selbständige Dozentinnen und Dozenten gewährleisten. Die Bescheinigung der Landesbehörde gem. § 4 Nr. 21 a) bb) UstG wirkt in Bezug auf das Merkmal der „ordnungsgemäßen“ Vorbereitung auf einen Beruf bzw. staatlichen Prüfung als Grundlagenbescheid, an den die Finanzverwaltung sachgerecht gebunden ist.

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